Festakt zum Jubiläum

Das Vermächtnis von Margarete von Wrangell lebt weiter

Genau 100 Jahre ist es her, dass Margarete von Wrangell zur ersten ordentlichen Professorin Deutschlands an der Landwirtschaftlichen Hochschule Hohenheim berufen wurde. Aus diesem Anlass veranstaltete die Universität Hohenheim am 27. März 2023 einen Festakt, der den Startschuss für weitere Events im Jubiläums-Jahr setzen soll.

Die Besucher:innen waren so zahlreich, dass der Balkonsaal des Schlosses bis auf den letzten Platz besetzt war. Auch Nachfahren und Nachfahrinnen von Margarete von Wrangell waren als Gäste zugegen.

Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg, die Universität Hohenheim, die Landeskonferenz der Gleichstellungsbeauftragten an den wissenschaftlichen Hochschulen Baden-Württembergs (LaKoG) und der Verband Baden-Württembergischer Wissenschaftlerinnen (VBWW) hatten ein abwechslungsreiches Programm auf die Beine gestellt.

Prof. Dr. Dabbert, Rektor der Universität Hohenheim

Rektor Prof. Dr. Dabbert

„Es hat sich für Frauen im Wissenschafts-bereich viel geändert, es bleibt aber noch einiges zu tun!“

Prof. Dr. Stephan Dabbert, Rektor der Universität Hohenheim, hob hervor, dass seine Hochschule stolz darauf sei, dass die erste ordentliche Professorin Deutschlands nach Hohenheim berufen wurde. Allerdings merkte er auch an, dass sich zwar in den letzten Jahrzehnten für Frauen im Wissenschaftsbereich einiges getan habe, die Universität Hohenheim aber noch längst nicht dort stehe, wo sie stehen wolle.

Rektor Dabbert lobte das Tenure Track-Programm, auf das sich in Hohenheim viele Nachwuchswissenschaftlerinnen erfolgreich beworben haben. Er sei auch froh, dass mittlerweile vier von sechs Stellen im Rektorat von Frauen besetzt seien. Allerdings gebe es nach wie vor Gremien, etwa den Senat, in denen Frauen stark unterrepräsentiert seien.

Auch Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger lobte in ihrer Videobotschaft Margarete von Wrangells Forschungsarbeit und ihre Bedeutung für die damalige Zeit. Sie schlug einen Bogen zur Gegenwart und aktuellen Herausforderungen. Wrangell stehe aber auch stellvertretend für viele innovative Frauen in der Forschung, die oft noch viel zu wenig sichtbar seien. „Es ist höchste Zeit, dass wir Frauen und ihre Leistungen stärker ins Rampenlicht rücken“, betonte Stark-Watzinger.

Moderierte Diskussion

Förderprogramme für Frauen sind erfolgreich

Eine Möglichkeit, Frauen in ihrer wissenschaftlichen Karriere zu unterstützen, sind Förderprogramme. Dazu zählt auch das Margarete-von-Wrangell-Habilitations-Programm, das 1997 vom Land Baden-Württemberg aus der Taufe gehoben wurde und laut Dr. Dagmar Höppel vom Verband Baden-Württembergischer Wissenschaftlerinnen „eine enorme Strahlkraft“ entwickelt habe.

„Von den Stipendiatinnen sind 90 % in Führungspositionen in der Wissenschaft tätig und 60 % von ihnen erhielten eine Professur “, so Höppel. Nur wenige Programme in Deutschland hätten eine solche Erfolgsquote vorzuweisen.

Dr. Birgid Langer von der Landeskonferenz der Gleichstellungsbeauftragten an Hochschulen in Baden-Württemberg ergänzte, dass erst durch das Wrangell-Programm der Pool an Kandidatinnen für W3-Professuren gefüllt werden konnte. Gerade Wissenschaftlerinnen, die oftmals Familie und Beruf unter einen Hut bringen müssten und vom typischen „Karriereweg“ abwichen, erhielten so die Chance auf eine Professur.

Netzwerktreffen Margarete von Wrangell-Fellows mit Dr. Dagmar Höppel (l.)

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„Mit dem Wrangell-Programm haben wir mit dem Vorurteil aufgeräumt, dass Frauen keine wissenschaftliche Karriere machen wollen!“

Dr. Dagmar Höppel

Prof. Dr. Katja Patzel-Mattern, Historikerin der Universität Heidelberg

Historikerin Prof. Dr. Katja Patzel-Mattern

Kämpferisch, weiblich, erfolgreich

Was zeichnete Margarete von Wrangell aus? Dieser Frage ging Prof. Dr. Katja Patzel-Mattern von der Universität Heidelberg in ihrem Vortrag auf den Grund. Wrangell sei in vielen Bereichen eine Vorreiterin gewesen: als eine der ersten weiblichen Studierenden, eine der ersten wissenschaftlichen Assistentinnen, als Leiterin einer wissenschaftlichen Versuchsstation und schließlich als erste Professorin.

„Von 10.000 promovierten Frauen war Wrangell eine der wenigen, die sich an einer wissenschaftlichen Einrichtung etablieren konnten.“ Dies sei aber nur möglich gewesen, weil sie als Adelige sozial abgesichert war und von klein auf eine mehrsprachige Bildung genoss. Die häufigen Wohnortswechsel trugen zu ihrer Weltoffenheit bei.

Bis heute sei die soziale Herkunft ein wesentlicher Faktor für eine erfolgreiche wissenschaftliche Karriere. Denn nach wie vor würden Kinder aus Akademiker:innenfamilien häufiger diesen beruflichen Weg einschlagen.

Doch Margarete von Wrangell hatte nicht nur finanziell und sozial eine Sonderstellung inne, sondern verstand es auch, erfolgreich Gelder für ihre Forschungen einzutreiben und für sich zu werben. Selbst gegen Widerstände und Plagiatsvorwürfe wusste sie sich durchzusetzen, wobei ihr die Beziehungen zu hochrangigen Persönlichkeiten zu Gute kamen.

Viele Eigenschaften, die die erste Professorin aufwies, seien auch heute noch relevant, schloss Patzel-Mattern.

Agrarwissenschaftler Prof. Dr. Torsten Müller

Warum die Phosphor-Forschung immer noch hochaktuell ist

Im Vortrag von Prof. Dr. Torsten Müller von der Universität Hohenheim ging es um die Frage, welche Bedeutung das Forschungsthema von Margarete von Wrangell heute noch hat. Als sie ihre Arbeiten begann, war Phosphor als Bestandteil von mineralischem Dünger in Deutschland ein knappes Gut. Nach dem Ersten Weltkrieg war es schwer geworden, diesen Rohstoff zu importieren.

Auch wenn dies heute nicht mehr der Fall ist, droht in einigen Jahren erneut eine Phosphor-Knappheit, wie Müller erklärte. Denn die weltweiten Phosphor-Reserven lägen zum Großteil in Marokko. Dieses Land baue jedoch vergleichsweise wenig Phosphor ab, so dass schon in wenigen Jahren eine Knappheit eintreten könnte.

Deshalb arbeiten Wissenschaftler:innen der Universität Hohenheim ebenso wie Margarete von Wrangell daran, mithilfe von Hülsenfrüchten den Phosphat-Anteil im Boden zu erhöhen. Im Vergleich zu damals hätten die Feldversuche nun aber eine ganz andere Dimension. Und die Wissenschaftler:innen haben ihren Blick erweitert und beziehen auch Mikroorganismen in ihre Forschungen mit ein.

Kaum bekannt ist, dass „der kolorimetrische Phosphatnachweis, den Margarete von Wrangell damals entwickelt hat, geradezu bahnbrechend war“, erzählte Müller. Dieser Nachweis sei immer noch die Grundlage für moderne Analyse-Verfahren. Kurzum, sie sei eine außergewöhnliche und „extrem drittmittelstarke“ Forscherin gewesen.

Prof. Dr. Torsten Müller, Agrarwissenschaftler der Universität Hohenheim

Petra Olschowski, Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst in Baden-Württemberg

Ministerin Petra Olschowski MdL

„Gleichstellung ist eine Leitungsaufgabe!“

Nach dem Rückblick auf die Forschung von Margarete von Wrangell ging es um die Frage, was sich seit 1923 für Frauen in der Wissenschaft verändert hat. Petra Olschowski, Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst in Baden-Württemberg, betonte wie wichtig Vorbilder auf dem Weg zur Parität seien.

Mahnend erinnerte die Ministerin daran, dass Deutschland unter den europäischen Ländern bei der Frauenquote in Führungspositionen der Wissenschaft im hinteren Drittel zu finden sei. „Auch heute kann es noch unbequem sein, für das Thema Gleichstellung einzustehen“, sagte sie.

Entscheidend für eine Veränderung seien drei Punkte:

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Stimmrecht der Gleichstellungsbeauftragten in Berufungsverfahren
N
Festlegung von Mindestausstattung und Mindestbezahlung von Stellen
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Maßnahmen an die unterschiedlichen Situationen verschiedener Fachbereiche anpassen

„Viel zu oft denken wir, es hätte sich schon genug verändert. Aber das trifft nicht auf alle Bereiche zu.“ Zudem würden erfolgreiche Wissenschaftlerinnen an Hochschulen heute mehr als je zuvor von der Wirtschaft abgeworben.

Um dem entgegenzuwirken, hat das Wissenschaftsministerium beschlossen, das Margarete-von-Wrangell-Programm umzugestalten. Künftig soll es Juniorprofessorinnen ermöglicht werden, eine Nachwuchswissenschaftlerin zu Beginn ihrer Post-Doc-Phase für drei Jahre anzustellen und sie in ihrer Forschung zu unterstützen. „Wir haben genug Daten gesammelt. Jetzt gilt es zu handeln!“, schloss die Ministerin.

Die zahlreichen Gäste ließen den Abend im Foyer des Schlosses ausklingen und besuchten die Ausstellung zu Frauen in der Wissenschaft mit einem Filmbeitrag über Margarete von Wrangell.

Das Festakt-Programm an der Universität Hohenheim

„Die erste Professorin in Deutschland – 100-jähriges Jubiläum“

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Musikalische Umrahmung:

Duo con animo: Birgit Maier-Dermann (Querflöte) und Günther Schwarz (Gitarre)

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Begrüßung

Prof. Dr. Stephan Dabbert (Rektor Universität Hohenheim)

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Videobotschaft:

Bettina Stark-Watzinger (Bundesministerin für Bildung und Forschung)

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Grußworte und Moderation:

Dr. Dagmar Höppel (VBWW), Dr. Birgid Langer (LaKoG), Prof. Dr. Ute Mackenstedt (Universitäts-Gleichstellungsbeauftragte)

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Vortrag:

Margarete von Wrangells Weg auf die Professur – eine Karriere in ihrer Zeit? Prof. Dr. Katja Patzel-Mattern (Universität Heidelberg)

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Vortrag:

Margarete von Wrangells Forschung – immer noch aktuell?! Prof. Dr. Torsten Müller (Universität Hohenheim)

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Vortrag:

100 Jahre später – was zu tun bleibt
Petra Olschowski MdL (Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden Württemberg)

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Ausklang im Foyer:

Vorstellung der Website zum Jubiläumsjahr und Präsentation des ersten Films einer Serie über Margarete von Wrangell

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