Jubiläums-Vorlesung im Rahmen der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Pflanzenernährung (DGP) am 25.09.2023 im Euroforum der Universität Hohenheim

100 Jahre Pflanzenernährungsinstitut: Forschung damals und heute

Die Deutsche Gesellschaft für Pflanzenernährung (DGP) setzt sich seit 1968 als Fachgesellschaft für Forschung und Lehre ein. Zu ihrer diesjährigen Jahrestagung an der Universität Hohenheim vom 25. bis 27. September 2023 lud Professor Uwe Ludewig zu einer besonderen Vorlesung ein: „Pflanzenernährung damals und heute“.

Darin warf er einen Blick zurück auf die Gründung des Pflanzenernährungsinstituts durch Margarete von Wrangell, zeigte auf, was die Professorin angestoßen und bewirkt hat und schlug einen Bogen zu den aktuellen Forschungsthemen am heutigen Institut für Kulturpflanzenwissenschaften.

Prof. Uwe Ludewig

Prof. Uwe Ludewig

Was vor 100 Jahren geschah und bis heute nachwirkt

Margarete von Wrangell wurde 1923 nicht nur die erste Professorin Deutschlands, sie gründete auch das Pflanzenernährungsinstitut der damaligen Landwirtschaftlichen Hochschule Hohenheim, der heutigen Universität Hohenheim. Seine- Jubiläumsvorlesung begann Professor Uwe Ludewig zunächst mit einer geschichtlichen Einordnung der Institutsgründung anhand eines Zeitstrahls. Historische Ereignisse wie die beiden Weltkriege hatten Einfluss auf die Forschung, genauso wie die gesellschaftlichen Strukturen der damaligen Zeit.

Margarete von Wrangell war unter Wissenschaftlern eine Ausnahmeerscheinung und gehörte zu den Privilegierten. Uwe Ludewig fasste zusammen, warum sie den Weg in die Wissenschaft einschlagen konnte, obwohl Frauen zur damaligen Zeit die Arbeit verboten war. Sie war adelig, finanziell unabhängig und wurde so erzogen, dass sie durchaus schon früh Bediensteten Anweisungen erteilte. Diese Eigenschaften halfen ihr auf ihrem Weg zur Professur.

Zudem konnte Margarete von Wrangell auf ein gutes Netzwerk zurückgreifen: Sie war mit Hermann Warmbold, Fritz Haber und Friedrich Aereboe bekannt – einflussreiche Persönlichkeiten ihrer Zeit, die sie auf ihrem Weg zur Professorin unterstützten. Uwe Ludewig erinnerte: „Erst 1977 wurde die Rechtsprechung in Westdeutschland geändert, sodass Frauen ohne die Erlaubnis ihres Ehemanns arbeiten durften.“ Auf die Frage, ob eine Karriere wie die von Margarete von Wrangell auch heute noch möglich sei, verwies er auf das Wissenschaftszeitvertragsgesetz. Durch dieses Gesetz stünde heute nach einer Promotion nur eine sehr begrenzte Zeit für wissenschaftliche Arbeiten zur Verfügung. „Meiner Meinung nach zu wenig“, so Ludewig. „Denn wir brauchen künftig sowohl Spezialist:innen als auch Generalist:innen – deshalb ist die interdisziplinäre Forschung so wichtig.“

Besonders würdigte Uwe Ludewig auch einen Nachfolger von Margarete von Wrangell: Horst Marschner. Sein Lehrbuch gilt bis heute als „Bibel der Pflanzenernährung“ und ist mittlerweile in 4. Auflage erschienen. Zwischen 1976 und 1996 wirkte er an der Universität Hohenheim und baute viele internationale Kontakte auf. Die spätere Namensänderung des „Instituts für Pflanzenernährung“ zum „Institut für Kulturpflanzenwissenschaften“ zeigt, wie sich der Blick der Forscher geweitet hat.

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„Im Agrarbereich gibt es noch immer eine deutliche Männerdominanz in Führungspositionen.“

Prof. Uwe Ludewig

Die Rolle der Frauen in der aktuellen Forschung

Auf einem aktuellen Foto zeigte Professor Ludewig, wie der Frauenanteil von Professor:innen an der Universität heute aussieht. Nach wie vor sei eine Männerdominanz zu erkennen, aber ein Drittel der Professorenschaft sei heute weiblich. Bei Studienabschlüssen liege der Anteil an Studentinnen sogar über 50 Prozent.

„Bei den Juniorprofessuren im Tenure-Track-Programm haben wir in Baden-Württemberg bereits 50 Prozent erreicht“, so Ludewig. Damit war für ihn klar: „Das Ungleichgewicht in der Professorenschaft wird sich bald herauswachsen.“ In diesem Zusammenhang nannte Uwe Ludewig das Margarete von Wrangell-Fellowship als Erfolgsbeispiel.

Das Leben und Wirken von Margarete von Wrangell in Sketchnotes

Phosphor – ein bislang ungelöstes Problem

Dann richtete Uwe Ludewig den Blick auf die heutige Zeit. Nach wie vor stünden zwei Elemente im Fokus der Wissenschaftler:innen, weil sie für die Pflanzenernährung wichtig seien: Stickstoff und Phosphor. Uwe Ludewig fasste zusammen, was Nährlösungsversuche, Topfversuche und Feldversuche gezeigt hätten: Während Nitrat mit dem Regen in tiefere Bodenschichten gelange, bliebe Phosphor an der Oberfläche und sei im Boden wenig mobil. Trotz eines hohen Phosphatgehalts im Boden sei Phosphor damit für Pflanzen nur schlecht nutzbar.

Meist liege es in absorbierten oder ausgefällten Formen von Phosphaten vor und könne deshalb von Pflanzen nicht ohne Weiteres aufgenommen werden. „Im Boden laufen komplexe chemische Prozesse ab, die von der Temperatur, von Mikroben oder dem Grad der Mineralisierung abhängig sind.“ Diese eingeschränkte Verfügbarkeit von Phosphor war auch schon Margarete von Wrangell vor 100 Jahren bekannt.

Es gebe aber Prozesse, welche die Phosphoraufnahme verbesserten. Zum Beispiel die Symbiose mit Pilzen, den sogenannten Mykorrhiza. Auch spezielle Cluster-Wurzelstrukturen, wie diejenigen der Weißlupine, erhöhen die Phosphoraufnahmefähigkeit. Im Gegensatz dazu sei die Stickstoffbedarfsermittlung aus dem Boden und die Stickstoffaufnahme unproblematisch, in der Praxis blieben aber dennoch enorme Verlustquellen. Stickstoff für Düngemittel könne seit der Entwicklung des Haber-Bosch-Verfahrens 1910 aus Luftstickstoff gewonnen werden und stehe deshalb nahezu unbegrenzt zur Verfügung.

Sein Fazit lautete: Nach wie vor sei Phosphor ein spannendes Forschungsthema. „Wegen der komplexen chemischen Eigenschaften des Phosphors können wir bis heute keine genauen Vorhersagen über seine Verfügbarkeit im Boden treffen.“

Die überraschenden Ergebnisse von Langzeitversuchen

Laborversuche unter kontrollierten Bedingungen sind das eine – doch für die landwirtschaftliche Praxis sind die Ergebnisse von Feldversuchen entscheidend. Deshalb führte ein länderübergreifendes Forscherteam in Deutschland und Österreich Langzeitversuche zur Phosphor-Düngung durch.

Uwe Ludewig erklärte, mit welchen Messmethoden die Böden in die Gehaltsklassen A bis E eingeteilt wurden, wobei A für einen geringen und E für einen hohen Phosphorgehalt steht. Die Forscher:innen erwarteten für die Gehaltsklasse A die höchsten Ertragszuwächse durch eine Phosphor-Düngung des Bodens und bei der Gehaltsklasse E kaum oder keine Ertragszuwächse.

Doch die Ergebnisse waren überraschend. Während einige Pflanzen nach einer Phosphor-Düngung besser wuchsen, gab es bei anderen den gegenteiligen Effekt. „Auf unterschiedlichem Boden derselben Gehaltsklasse haben wir Ertragszuwächse von 50 Prozent und gleichzeitig Einbußen von 15 Prozent gesehen. Diese großen Schwankungen zeigen, dass Düngeempfehlungen in Bezug auf Phosphor schwierig bleiben.“

Wie Hohenheim die Landwirtschaft für den Klimawandel rüstet

Außer der Phosphor-Forschung widmen sich die Wissenschaftler:innen am Institut auch dem Klimawandel und den Extremwetterereignissen. Uwe Ludewig stellte Ergebnisse aus dem früheren Projekt „BIOFECTOR“ vor, bei dem es darum geht, die Bodenfruchtbarkeit durch biologische Prozesse zu fördern.

Zu den sogenannten Bioeffektoren zählen Bakterien oder Biostimulanzien. Die bisherigen Ergebnisse zeigten, dass Bioeffektoren zwar unter kontrollierten Bedingungen oft positive Effekte hatten, selten jedoch in Feldversuchen. Warum dies so ist, wollen die Forscher:innen nun herausfinden.

Uwe Ludewig berichtete auch vom interdisziplinären „AMAIZE-P“ Projekt mit Maispflanzen, die an begrenzte Phosphorvorkommen angepasst werden sollen. „Ältere Sorten zeigen teilweise eine weitaus bessere Phosphatnutzung“, erklärte Ludewig. Deshalb arbeiten die Wissenschaftler:innen mit Züchtern zusammen. Zudem versuchen sie, Phosphor aus Exkrementen von Tieren und Menschen sowie Knochen zu recyceln. Damit ließen sich bis zu 60 Prozent der Rohphosphate ersetzen. „Rohstoff-Recycling ist der Weg, wie wir mit begrenzten Ressourcen umgehen sollten“, so Ludewig.

Schließlich stellte Uwe Ludewig noch das „NOcsPS“ Projekt vor. Dabei erforscht ein interdisziplinäres Team der Universität Hohenheim eine Anbaumethode, die ohne den Einsatz chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel auskommt. Landwirtschaft 4.0 nannte Ludewig dieses System. „Mit NOcsPS erreichen wir bis zu 50 Prozent höhere Erträge als im Bio-Anbau und positive ökologische Effekte. Das könnte unser Agrarsystem der Zukunft werden.“

Wie sich die Forschungslandschaft verändert hat

Zum Schluss warf Ludewig noch einen Blick auf das Institut für Kulturpflanzenwissenschaften. Mit dem Zusammenschluss verschiedener Forschungsrichtungen sei das Institut vielfältiger geworden. Mittlerweile würden nicht nur Nährstoffe, sondern auch deren Transportprozesse in der Pflanze sowie genetische und molekulare Grundlagen und das Wurzelsystem samt Bodenmikroben betrachtet.

Dieses umfassende Verständnis und die Grundlagenforschung seien die Voraussetzung, um dem Klimawandel zu begegnen, so Ludewig. „Wenn wir wissen, wo wir ansetzen müssen, können wir Nutzpflanzen mit der CRISPR-Genschere fit für den Klimawandel machen.“
Damit schloss Uwe Ludewig den Kreis zum Thema Frauenkarrieren. Denn die CRISPR-Genschere wurde von Jennifer Doudna und Emmanuelle Charpentier entdeckt, die dafür 2020 den Nobelpreis für Chemie erhielten.

Abschließend zog Uwe Ludewig ein klares Fazit: Früher mussten besondere Umstände zusammenkommen, damit Frauen in der Wissenschaft Karriere machen konnten. Heute herrschten gleiche Zugangschancen zu Bildungs- und Leitungsfunktionen. Das Geschlecht spiele für den Erfolg von Wissenschaftler:innen keine Rolle mehr.

Viel entscheidender sei, dass die Pflanzenernährung gerade im Hinblick auf die Zukunft gesellschaftlich relevantes Wissen zu bieten habe, vor allem für unsere Ernährungssicherung.

Quellen und Links

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Die Vorlesung fand am 25.09.2023 im Euroforum der Universität Hohenheim statt.

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